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DDR-Projekt der 10. Klassen

„Seid bereit! – Immer bereit!“

„Damals war ja nicht alles schlecht!“ oder auch „Diese Jahre möchte ich nicht zurückdrehen!“ – Eine Woche lang standen die Zeichen der Zeit für die Klassenstufe 10 der Regionalen Schule Binz ganz auf „DDR“. Unter der zurückhaltenden Federführung der Lehrerin und Lehrer Elke Wandrow, Jörg Pätz und Mathias Müller sowie Frau Misgajiski vom Dokumentationszentrum Prora wandelten die Schülerinnen und Schüler selbst im Lipsi-Schritt auf den Spuren von Damals; von der Bückware bis zum Leistungssport.

Rund um die Planwirtschaft drehte sich alles in der Gruppe von Kai Plantow, Lea Koßmann und Tom Jonny Tietböl. „In der Theorie ist die Planwirtschaft ja an sich eine ganz gute Sache“, meint Plantow, der nach seiner Mittleren Reifeprüfung eine Ausbildung zum Bankkaufmann beginnen wird. „Aber wie das bei diesen theoretischen Modellen meist ist, haperte es in der Praxis. Die gerechte Verteilung von Ressourcen sieht auf dem Papier praktikabel aus, in der Realität aber war es ein Fass ohne Boden, das ständig neue Versorgungslücken aufriss“, resümiert der Sechzehnjährige. Um dieses aus Schülersicht teilweise doch sehr trockene Thema anschaulich für das zumeist junge Publikum während der Präsentation verständlich zu machen, produzierte die Gruppe mit Hilfe vieler Statisten eine kleine Foto-Geschichte zum Thema Bückware. „Bananen gegen die ein Päckchen West-Kaffee.“ – Welcher ältere Jahrgang erinnert sich nicht an diese und andere Alltags-Anekdoten?

Zur Frauen- und Familienpolitik in der DDR forschten Moritz Riffel und Felix Wanke. „Im Vergleich zur Bundesrepublik zeigte sich im Osten Deutschlands doch schon von Anfang an, dass der Staat sehr daran interessiert war, Mädchen später nicht allein als Hausfrau am heimischen Herd enden zu lassen, sondern ihnen vielfältige Möglichkeiten in der Berufswelt offenstanden“, fasst Riffel zusammen. Auch der Ehekredit und andere Entlastungen, wie etwa den garantierten Kindergartenplatz, empfanden die beiden als fortschrittlich, obwohl Frauen auf Direktorenposten oder gar in verantwortungsvollen Regierungspositionen doch eher seltene Ausnahmen bildeten, ganz anders als heute.

„Wir finden, dass das Schulsystem damals besser war“, meinen Marie Mandelkow, Anna-Marie Schumacher und Michelle Marschalk, die sich mit der Bildungspolitik unter der jahrelangen Federführung von Margot Honecker befassten. „Zwei allgemeinbildende Schularten erscheinen aus unserer Sicht als übersichtlicher als heute, auch inhaltlich.“ Wechsle man heute die Schule, wisse man nie, ob man den Stoff nicht schon lange vorher hatte oder überhaupt gelehrt werde; von den vielfältigen Methoden, die sicher nicht jeden ansprechen ganz zu schweigen, sagen die drei jungen Frauen.

Mit vergleichsweise leichterer Kost befassten sich Sara Klingenberg und Anna-Dorothea Rahts. Sie ergründeten, was man im Osten alles auf dem Leib getragen hatte: „Viele Stoffe bestanden aus Polyester oder anderen künstlichen Fasern. Baumwolle als teurer Importartikel war dann schon etwas Besonderes. Heute dagegen ist Baumwolle selbstverständlich“, so Rahts. Man habe bunte Stoffe mit breiten Kragen getragen und natürlich auch viel Selbstgestricktes für den individuellen Look fernab von der Stangenware. Und natürlich auch die obligatorische Kittelschürze in allen möglichen und unmöglichen Musterungen, Formen und Farben.

Apropos Kost: Für das leibliche Wohl sorgte wie immer Jörg Pätz‘ Hauswirtschaftsgruppe, dieses Mal bestehend aus Nadine Gabler, Theo Eisenmenger und Alexander Triphan. „Sicher mangelte es an Vielem, aber hungern musste niemand. Im Gegenteil: Man hat viel zu viel Zucker und Fett zu sich genommen. Auch wurde viel improvisiert“, sagt Eisenmenger, während er im DDR-Klassiker schlechthin herumrührt – der Soljanka. Neben der jedes Mal anders schmeckenden Restesuppe kredenzten die Hauswirtschaftler auch selbstgemachte Rote Grütze und Schnittchen.

„Den Schülerinnen und Schülern Wissen aus einer Zeitperiode zu vermitteln, die sie nicht mehr miterlebt haben, ist die eine Sache. Eine andere ist die Veranschaulichung mit Hilfe von gegenständlichen Quellen. Der historische Unterricht an unserer Schule soll nicht nur be-, sondern buchstäblich auch ergreifbar sein“, erläutert die Geschichtslehrerin Elke Wandrow. Geschichte zum Anfassen wurde so in einem eigens eingerichteten Museumsraum von Patricia Sand und Jameine Schulz präsentiert. Dem vorherigen Aufruf, Familie, Freunde und Bekannte um Ausstellungsstücke zu bitten, folgte eine breite Sammlung von Zeitungen und Zeitschriften, Urkunden und Orden, Musikkassetten und Schallplatten, Werkzeugen, Haushaltsgeräten und vielem weiteren mehr. Sand und Schulz bewiesen erste Qualitäten als Museumsführerinnen, die den anderen Schülerinnen und Schülern der unteren Klassenstufen Zweck und Funktion einzelner Exponate erklärten. Und das natürlich ganz Stilecht im Pionier- und FDJ-Blauhemd.

Den Abschluss der Projektwoche bildete dann am Freitag eine Exkursion der beiden zehnten Klassen in die Rostocker Gedenkstätte der ehemaligen U-Haft-Anstalt der Staatssicherheit. Neben einer Führung durch die Anlage im Herzen der alten Hansestadt erläuterte Gedenkstättenmitarbeiterin Sabine Schmidt auch mögliche Gründe und Ursachen für eine Inhaftierung und deren Ablauf. „Das finde ich schon sehr bedrückend, wie die Menschen für eigentlich kleine politische Vergehen hier eingesperrt worden sind. Heute kann man sich das kaum noch vorstellen“, sagt Andy Ullmann.

„Durch die gruppenorientierte Projektarbeit, die an unserer Bildungseinrichtung zum festen Schulprogramm gehört“, erklärt Elke Wandrow, „vermitteln wir den Schülerinnen und Schülern nicht nur wesentlich mehr Stoff, sondern gestalten den Wissenstransfer bedeutend vielfältiger, als das im Unterricht möglich wäre. Die Jugendlichen suchen sich ihre Themen selbst aus und bearbeiten sie auch weitgehend ohne nennenswerte korrigierende Anleitung durch uns. Auch die Quellentexte und Artikel recherchieren sie selbst. An unserer Schule wird schließlich Wert darauf gelegt, selbstständige junge Menschen zu erziehen – eine wichtige Kompetenz für das spätere Berufsleben“, so Wandrow.

So war auch diese Projektwoche erneut ein großer Erfolg für die Teilnehmer, die nun beinahe hautnah wieder einiges mehr über eine Zeitperiode erfahren konnten, die sie nicht selbst erlebt hatten.

Fotoserien

Seid bereit-Immer bereit (FR, 22. April 2016)

DDR-Projekt der 10. Klassen

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Fr, 22. April 2016

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